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MPI f. Sonnensystemforschung (MPS), S. Solanki
Das Sonnenteleskop kurz vor dem Start am Morgen des 8. Juni. Die Gondel mit dem Fernrohr hängt noch am Kranwagen Herkules, im Hintergrund ist der Heliumballon zu sehen, der sich in der Stratosphäre auf 130 Meter Durchmesser aufbläht.
Copyright: MPI f. Sonnensystemforschung (MPS), S. Solanki
MPI f. Sonnensystemforschung (MPS)
Die Fahrt führt das Ballonteleskop Sunrise von Kiruna in Schweden westwärts um den Pol nach Nordkanada, wo es nach fünf Tagen am Fallschirm weich landet.
Copyright: MPI f. Sonnensystemforschung (MPS)

Die Sonne im Blick

Am Montagmorgen um 8.27 Uhr hob vom europäischen Weltraumbahnhof Esrange in Nordschweden das bislang größte Solarteleskop vom Erdboden ab. Doch beim Start hieß es nicht "Zündung", sondern vielmehr "Leinen los". Denn Sunrise ist kein Weltraumsatellit, sondern ein Ballonobservatorium.
"Wozu in die Ferne schweifen", dachten sich vielleicht die Astronomen vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) im niedersächsischen Katlenburg-Lindau und ihre Kollegen aus dem In- und Ausland. Denn um gestochen scharfe Aufnahmen zu machen oder Spektralbereiche zu nutzen, die von der Atmosphäre nicht zum Erdboden durchgelassen werden, ist nicht immer eine Weltraummission erforderlich.

Da genügt auch schon das Sonnenteleskop Sunrise: Ein Heliumballon, der sich schließlich auf einen Durchmesser von 130 Metern ausdehnt, hebt die Gondel mit der wissenschaftlichen Nutzlast auf etwa 37 Kilometer Höhe. Hier, bei rund einem Drittel des Wegs in den offenen Weltraum, liegen 95 Prozent der störenden Erdatmosphäre unterhalb des Gespanns. Das Instrument hat zwar "nur" eine 1-Meter-Optik, kann aber von dieser exponierten Lage aus die Oberfläche der Sonne mit einer enormen Genauigkeit ablichten. "Wir erwarten deshalb, dass Sunrise die fein strukturierte Oberfläche der Sonne und die Verteilung der Magnetfelder mit einer Auflösung von bis zu 35 Kilometern sichtbar machen wird", erklärt Sami Solanki, geschäftsführender Direktor des MPS und Leiter der Mission. Genauso gut könnte Sunrise in einer Zeitung lesen, die ihm jemand am Erdboden entgegen hält.

Der Start erfolgte in Kiruna. Hier befindet sich der schwedisch-europäische Startplatz Esrange, von dem neben ballistischen Raketen - wie die des deutschen Texus-Programms - auch zahlreiche Ballonmissionen starten. Sunrise nutzt dabei die geografischen Gegebenheiten voll aus: Getragen von Polarwinden führt die Fahrt nördlich an Island vorbei über Grönland schließlich in die Polarregionen Kanadas, wo die Gondel dann mit einem Fallschirm landet. Während der gesamten geplanten fünf Tage bis zur Ankunft geht die Sonne für Sunrise nie unter.

Damit die Bilder die gewünschte Rekordschärfe erreichen, muss das Teleskop mit noch nie da gewesener Stabilität auf die Sonne gerichtet sein - obwohl es unter dem Ballon leicht schwingt und sich das Gespann mit ungefähr fünfzig Stundenkilometern nach Westen bewegt. Um dies zu gewährleisten, wurde am Kiepenheuer-Institut für Sonnenforschung in Freiburg (KIS) ein Sensor entwickelt, der die Lage des Sonnenbildes kontinuierlich bestimmt und mithilfe eines beweglichen Spiegels stabilisiert. Der Sensor basiert auf den Wellenfrontsensoren für die adaptive Optik, die am KIS für die deutschen Sonnenteleskope auf Teneriffa entwickelt wurde. Das größte von ihnen, Gregor, nahm unter Beteiligung des MPS und weiterer Partner Anfang des Jahres seinen Probebetrieb auf.

Im Gegensatz zu Gregor beobachtet Sunrise oberhalb der Ozonschicht und des Wasserdampfs der Atmosphäre. "Sunrise kann auch im ultravioletten Bereich ab zirka 250 Nanometer beobachten, während man vom Erdboden aus bestenfalls ab 380 Nanometer etwas sieht. Das ist vorteilhaft, da die erzielbare räumliche Auflösung im UV am höchsten ist, da sie mit abnehmender Wellenlänge ansteigt", erklärt Michael Sigwarth vom KIS. Auch lassen sich vom Erdboden aus nur jeweils kleine Ausschnitte der Sonnenscheibe durch den Einsatz adaptiver Optik "scharf stellen". Sigwarth weiter: "Sunrise hat diese Einschränkung nicht, da der Luftdruck in 37 Kilometer Höhe nur noch zirka zwei Millibar beträgt, das heißt Sunrise kann immer die Auflösung erzielen, die die Optik hergibt."

Daneben verfügt das Ballonteleskop über Instrumente zur Erforschung der solaren Magnetfelder. Die Astronomen hoffen, auf diese Weise vor allem die feinen Magnetfeldstrukturen untersuchen zu können. Diese sind für viele Phänomene auf unserem Heimatstern verantwortlich - etwa für Vorgänge in Sonnenflecken und Sonnenwind, die bisher noch nicht vollständig verstanden sind.

Quelle: MPS, KIS, GWL

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