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Durch Beschuss mit zirkular polarisiertem infrarotem Laserlicht wird das Coulomb-Potential (braun) eines HCl-Moleküls (grün/rot) nach rechts hin abgesenkt. Dadurch können nicht nur Elektronen aus dem äußersten Orbital (rot/blau) tunneln, sondern auch aus dem niedriger gelegenen.
Copyright: NRC
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Je nach Orientierung eines Moleküls wie HCl (grün/rot) kann durch Messung des Tunnelstroms (weiß) zur Spitze eines RT-Mikroskops (rechts) die Geometrie der Molekülorbitale vermessen werden. Hier bei HCl ist das zweitniedrigste Orbital gezeigt (blau/rot).
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Elektronen tunneln auch in der Tiefe

Eine bedeutsame Manifestation der Quantenmechanik ist der Tunneleffekt. Er bewirkt das Herauslösen von Elektronen oder anderen geladenen Partikeln wie Alphateilchen aus Atomen, obwohl sie durch die elektrische Anziehungskraft eigentlich fest gebunden sind. Physikern ist jetzt der Nachweis gelungen, dass nicht nur die am wenigsten gebundenen Elektronen der äußersten Schalen tunneln, sondern auch solche, die energetisch tiefer liegen.
Der Interessensbekundung eines Abiturienten an der Physik antwortete einst ein Münchener Professor "in dieser Wissenschaft sei schon fast alles erforscht, und es gelte, nur noch einige unbedeutende Lücken zu schließen". Der Student entschied sich dennoch für's Studium und er sollte seinen Professor eines Besseren belehren. Denn sein Name war Max Planck und er begründete zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine neue Dimension der Naturwissenschaften: die Quantenphysik.

Diese führte insbesondere zur Beschreibung der Bewegung und des Aufenthaltsorts von Teilchen mittels Wellenfunktionen. Damit ergibt sich beispielsweise die Möglichkeit, dass Elektronen den anziehenden Coulomb-Kräften eines Atomkerns entkommen können, auch wenn sie eigentlich nicht über genug Energie verfügen. Es ist  dieser paradox erscheinende "Tunneleffekt", der für die Energieerzeugung im Innern der Sonne sorgt, hinter radioaktiven Zerfällen steht und seit Jahrzehnten in Biologie und Medizin in Form der Rastertunnelmikroskopie seine Anwendung findet.
 
Sind also auch die Quantenmechanik und der Tunneleffekt Arbeitsgebiete, "wo schon alles erforscht ist"? Wohl nicht ganz: Hiroshi Akagi vom Joint Laboratory for Attosecond Science der University of Ottawa und dem National Research Council sowie der Japan Atomic Energy Agency in Kyoto leitete ein internationales Team, das die Coulomb-Potentiale von Chlorwasserstoffmolekülen (HCl) durch einen genau abgestimmten Laserpuls deformierte. Dadurch wurde die elektrostatische Bindung von positiv geladenem Kern und den negativen Elektronen reduziert und diese während der Dauer der jeweiligen Experimente zum schnelleren tunneln angeregt.

Chlorwasserstoff wurde gewählt, weil sich hier die Beiträge der Elektronen aus verschiedenen Molekülorbitalen besonders gut unterscheiden lassen. Die Forscher berechneten, dass bis zu zehn Prozent der Elektronen nicht aus dem äußersten Molekülorbital stammt, sondern von dem nächst niedrigeren. Dieser Umstand muss somit bei bestimmten Anwendungen der Rastertunnelmikroskopie (RTM) berücksichtig werden. "Eine der faszinierenden Einsichten aus diesem Experiment ist, dass wir mehr als 80 Jahre nach der Entdeckung des Tunneleffekts immer noch Überraschungen finden können", erklärt Reinhard Dörner, Professor an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und Mitglied der Forschergruppe.

Durch Beschuss von Molekülen mit Laserpulsen aus verschiedenen Richtungen und anschließender Messung des Tunnelstroms - "Molekulare RTM" - eröffnet sich demnach die Möglichkeit, die Form ihrer Elektronen-Orbitale untersuchen zu können. Dörner erläutert: "Bei Elektronenhüllen dominiert oft die Vorstellung diffuser Wolken, in der alle Elektronen gleich sind. Dieses Bild stimmt so nicht, wie das Experiment zeigt. Wenn man mittels Tunneleffekt diese Wolke in den tieferen Schichten 'anbohrt', zeigt sich, dass auch die tiefer gelegenen Orbitale eine reale eigenständige geometrische Struktur haben."

Quelle: Akagi, H. et al.: Laser Tunnel Ionization from Multiple Orbitals in HCl. In: Science 325, 1364-1367, 2009.

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