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Zwei gekreuzte „optische Förderbänder“ bilden eine „optische Pinzette“ für Atome. Hier sind drei Cäsium-Atome zu sehen, die anhand ihres Fluoreszenzsignals verfolgt werden können.
Copyright: Universität Bonn
Erziehungserfolg bei Atomen
Was haben Atome und Kleinkinder gemeinsam? Bei beiden ist es schwer, ihnen den eigenen Willen aufzuzwingen. Bei den Atomen ist genau dies jetzt aber Physikern der Universität Bonn gelungen: Mit einer neuen Methode sind sie in der Lage, die Eigenschwingung der kleinen Teilchen (ihre so genannte Wellenfunktion) präzise zu steuern.
Atome haben eine Eigenschaft, die die Mitarbeiter viel beschäftigter Chefs nur zu gut kennen: Sie können sich theoretisch an vielen Orten gleichzeitig aufhalten, an jedem aber nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit. Im Gegensatz zu den Chefs sind sie aber berechenbar: Mit welcher Wahrscheinlichkeit man sie wo findet, beschreibt ihre Wellenfunktion.
Die Wellenfunktion eines einzelnen Atoms zu kontrollieren war bisher aber nur eingeschränkt möglich. Das hat sich nun durch die Arbeit von Dieter Meschede und seinen Kollegen vom Bonner Institut für Angewandte Physik geändert. Die Wissenschaftler arbeiteten dabei mit einzelnen Caesium-Atomen, die sie mit einer Art Pinzette aus Licht festhielten.
Man kann sich solch ein Caesiumatom wie ein Kind vorstellen, das auf einer Schaukel sitzt. Die Wellenfunktion beschreibt, wie weit die Schaukel hin und her schwingt. Um das Kind höher schwingen zu lassen, versetzen Mama oder Papa der Schaukel einfach einen Schubs. Je stärker dieser Schubs, desto größer die Auslenkung: Die Wellenfunktion der Schaukel ändert sich.
In der Welt der Atome ist das nicht so einfach wie auf dem Kinderspielplatz. Das liegt an den Quanteneffekten, die in der Mikrowelt zum Tragen kommen und der atomaren Wellenfunktion nur festgelegte Profile erlauben. So muss der Schubs ziemlich genau die passende Stärke haben, damit er etwas bewirkt. Ist er zu klein oder zu groß, ändert sich an der Schaukelschwingung gar nichts. Es gibt aber noch eine zweite Einschränkung: Die Wellenfunktionen vor und nach dem Schubs müssen eine gewisse Ähnlichkeit aufweisen - Physiker sprechen von Überlappung.
"Wir haben nun unser Atom mit Mikrowellenstrahlung angeregt und ihm so einen Schubs versetzt", erklärt der Bonner Physiker Artur Widera. "Mikrowellen lassen sich sehr gut kontrollieren. Wir konnten die zugeführte Energiemenge daher extrem präzise einstellen." Normalerweise hätte das Anstoßen mit dieser Strahlung nicht ausgereicht, um die Bewegung des Caesiumatoms zu verändern. Die Forscher haben nun aber gewissermaßen den Aufhängepunkt der Atomschaukel um wenige Millionstel Millimeter im Raum verschoben. "Dadurch konnten wir den Wellenfunktionsüberlapp genau so einstellen, dass der Mikrowellen-Schubs doch zu einer Änderung der Schaukelbewegung führte."
"Wir können so nun die Wellenfunktion von Atomen mit hoher Präzision ändern", sagt Wideras Kollege Leonid Förster. "Damit ist es möglich, in der Schaukelbewegung der Atome beispielsweise Informationen speichern. Außerdem ist es denkbar, die Bewegung mit dieser Methode weitest gehend zu stoppen. So ließen sich Atome bis zu ihrem Grundzustand nahe am absoluten Nullpunkt kühlen." Und damit eröffnet der Bonner Ansatz Forschern aus verschiedenen Bereichen der Physik ganz neue Türen.
Quelle: Förster, L. et al.: Microwave Control of Atomic Motion in Optical Lattices. In: Physical Review Letters 103, 2009. DOI:10.1103/PhysRevLett.103.233001
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