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Yvonne Kienast / Nature Medicine
Eine große Hautkrebsmetastase umwächst die Kapillargefäße im Gehirn. Beobachtung in Echtzeit ermöglicht hier Einsichten in biologische Prozesse, die für die Metastasenbildung von Bedeutung sind.
Copyright: Yvonne Kienast / Nature Medicine

Krebs im Film

Es sind fast ein Viertel aller Krebspatienten, bei denen sich Metastasen im Gehirn bilden – oft noch lange nach erfolgreicher Behandlung des ursprünglichen Tumors. Über die Mechanismen der Entstehung solcher Ausläufer ist bisher noch wenig bekannt. Jetzt haben Münchner Wissenschaftler in Echtzeit verfolgen können, wie Hirnmetastasen wachsen.
Metastasen entstehen, indem sich Krebszellen vom ursprünglichen Tumor ablösen, mit dem Blut oder mit der Lymphflüssigkeit wandern, und sich in anderen Körperteilen ansiedeln und vermehren. Wenn dies im Gehirn geschieht, ist die Prognose besonders schlecht, da sie kaum zu behandeln sind. Mithilfe der Zwei-Photonen-Mikroskopie ist es nun erstmals gelungen, das Schicksal einzelner Krebszellen über Wochen und Monate in Echtzeit zu verfolgen – bis hin zur Entwicklung großer Hirnmetastasen. Die Anwendung dieser Methode erlaubt es, auch tiefer liegende Regionen des lebenden Gehirns bis in kleinste Einzelheiten sichtbar zu machen.

Zwei unterschiedliche Farbstoffe ließen die Blutgefäße grün, die von den Forschern injizierten Tumorzellen dagegen rot aufleuchten. Über einen Zeitraum von mehreren Wochen konnten die Wissenschaftler dann beobachten, dass für die Bildung einer Gehirnmetastase insgesamt vier Schritte notwendig sind. Als erstes müssen die Tumorzellen im Blut an einer Gabelung im Adergeflecht hängen bleiben. "Anders als bislang vermutet, genügt dieser Schritt aber nicht zur Metastasenbildung", berichtet Frank Winkler von der Ludwig-Maximilians-Universität München. "Wir konnten sehen, dass die Zellen erst noch durch winzige Löcher in der Gefäßwand nach außen dringen müssen, um sich dann in einem dritten Schritt von außen an die Ader anzuheften." Dann können die Tumorzellen bereits Mikrometastasen aus 4 bis 50 Zellen bilden.

Doch erst ein vierter Schritt ist der eigentliche Startschuss für die Entwicklung einer klinisch relevanten Hirnmetastase: Dabei verschmelzen mehrere benachbarte Mikrometastasen und bilden neue Blutgefäße aus. Diese so genannte Angiogenese liefert der Geschwulst alle nötigen Nährstoffe und erlaubt so ein schnelles und ungebremstes Tumorwachstum. Welche "Sackgassen" in der Entwicklung die Metastasenbildung verhindern, wurde im Versuch aber auch deutlich. "Dies geschieht etwa, wenn die Krebszellen nicht aus den Adern gelangen, wenn sie nicht von außen an die Gefäßwand anheften oder aber keine neuen Blutgefäße bilden können", so Winkler. Ohne Angiogenese starben selbst Krebszellen ab, die sich bereits an die Außenwand einer Ader angeheftet und zunächst stark vermehrt hatten.

Anscheinend, ruhen viele Krebszellen, um sich erst nach relativ langer Zeit zu vermehren. Dies könnte erklären, warum Metastasen oftmals erst Jahre nach einer erfolgreichen Therapie entstehen. Aber auch in diesem Ruhezustand ist der direkte Kontakt zu einem Blutgefäß essenziell für das Überleben der Tumorzellen.

Die Forscher haben bereits ein Krebsmedikament identifiziert, welches die Angiogenese blockiert, so dass Mikrometastasen dauerhaft in einem künstlichen Koma gehalten werden. "Wir wollen nun auch noch andere Krebsmedikamente in ihrer Wirkung testen", berichtet Winkler. "Zudem könnten dank dieser Einsichten aber auch neue Substanzen entwickelt werden, die eine Prävention oder bessere Behandlung von Metastasen ermöglichen."

Quelle: Kienast, Y. et al.: Real-time imaging reveals the single steps of brain metastasis formation. In: Nature Medicine, 10.1038/nm.2072, 2009.

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