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Frühjahrszeit ist Nordlichtzeit. Aber Polarlichter gehen auf die Aktivität der Sonne zurück, die natürlich nichts von den Jahreszeiten auf der Erde weiß. Diesen Zusammenhang zu klären ist eine der Aufgaben der Satellitenmission Themis.
Copyright: NASA, GSFC / Jeffrey R. Hapeman
Die Mission "Time History of Events and Macroscale Interactions during Substorms" (Themis) besteht aus fünf identischen Satelliten, die in besonders gewählten elliptischen Umlaufbahnen in bis zur Hälfte der Entfernung zum Mond um die Erde laufen.
Copyright: NASA, GSFC
Am 29. Februar 2008 halten die Kameras einen sich langsam veränderten "Nordlicht-Vorhang" fest, auf den von links oben …
Copyright: Toshi Nishimura, UCLA
… ein Knoten sich schnell bewegenden Polarlichts von links oben her zu schießt. Um 8.23 Uhr beginnt die Kollision der beiden leuchtenden Strukturen …
Copyright: Toshi Nishimura, UCLA
… und keine Minute später wird der Himmel über dem Polarkreis von einem wahren Feuerwerk aus Licht erhellt.
Copyright: Toshi Nishimura, UCLA
Die Erde (blau) bildet ein Magnetfeld ("B") in Dipolform aus, das durch den geladenen Teilchenwind von der Sonne (links außerhalb) wie ein Kometenschweif verformt wird. Dort wo die Feldlinien am dichtesten gepackt sind – um die magnetischen Pole herum – leuchten Aurorae auf.
Copyright: Larry Lyons, UCLA
Polares Feuerwerk
Mit einem Netzwerk von Kameras, das mit seinen Aufnahmen die Messungen der NASA-Satellitenmission Themis unterstützt, entdeckten Forscher ein bisher unbekanntes Phänomen der Polarlichter: Manchmal kollidieren die Vorhänge aus Licht und produzieren ein lautloses Spektakel, das es auch mit den größten Silvesterraketen aufnimmt.
Die fünf identischen Satelliten der Mission "Time History of Events and Macroscale Interactions during Substorms" (Themis) beobachten in unterschiedlichem Abstand von der Erde das Magnetfeld und die Auswirkungen der energiereichen Teilchen, die von der Sonne aus auf diesen Schutzschild prasseln. Entlang der Feldlinien spiralen die Partikel auf Nord- und Südpol zu, wo sie in der Atmosphäre als eindrucksvolles Leuchten der Aurora borealis beziehungsweise Aurora australis auftreten. Die Stärke des Erdmagnetfelds wird dabei von einem Satelliten-Instrument der TU Braunschweig vermessen, mit dessen Vorgänger auch die ESA-Raumfahrzeuge Venus Express, Cluster, Cassini-Huygens und Rosetta ausgestattet sind.
Für Aufsehen sorgten jetzt die Filme, die von einem Netzwerk aus 20 Kamerastationen erstellt wurden, die über ganz Kanada und den US-Bundesstaat Alaska verteilt sind. "Uns stand der Mund offen, als wir die Filme zum ersten Mal sahen," sagte Larry Lyons von der University of California in Los Angeles (UCLA), der die wissenschaftliche Leitung von Themis obliegt. "Diese Ausbrüche verraten uns sehr fundamentale Eigenschaften der Polarlichter."
Die Kollisionen einzelner Teile einer Aurora laufen in einem solch großen Gebiet ab, das ein Forscher von einem einzelnen Standort aus gar nicht alleine überblicken kann. Nur mit dem Netzwerk, das sich über etliche tausend Kilometer entlang des Polarkreises erstreckt, war die Entdeckung möglich. Dazu war ein enormer Aufwand nötig. Toshi Nishimura von der UCLA musste die Aufnahmen aller Kameras auswerten, auf eine gemeinsame Helligkeit umrechnen und die Größen der einzelnen Aurora-Strukturen je nach Entfernung von der Messstation skalieren.
"Was da zu Tage trat war mit nichts vergleichbar, was ich jemals zuvor gesehen hatte," wertet Lyons. "Und diese Kollisionen traten ständig auf." Der Einschätzung der Forscher zufolge ist der Auslöser für das Gesehene im "Plasma-Schweif" der Erde zu finden. Dies ist ein lang gezogener Bereich im sonnenabgewandten Weltraum, in dem sich ionisierte Partikel tummeln und vom Magnetfeld zusammengehalten werden, zumindest bis sich die Feldlinien neu zusammenschließen. Bei einer solchen "magnetischen Rekonnexion" wird in kürzester Zeit immens viel Energie frei, die besonders die leichten Teilchen beschleunigt und als "Plasma Bullet" in Richtung Erde schleudert, wo sie den ansonsten vergleichsweise gemächlichen und majestätischen Verlauf der Aurora aufmischen.
Trifft ein solcher "Knoten" aus schnellen Teilchen auf einen der großflächigen Polarlicht-Vorhänge, ist dies wie ein Zusammenstoß eines Formel-1-Rennwagens mit einem Lastzug - es gibt einen ziemlichen Knall, wenn auch nur in Form von Licht. Diese Schlussfolgerung aus den Filmen und den Messungen der Themis-Satelliten wird durch die Daten von wissenschaftlichen Radaranlagen in Alaska und Grönland gestützt: Sie konnten kurz vor den Aurora-Kollisionen und den Lichteruptionen Echos von den schnellen Strömen verzeichnen, die durch die obere Atmosphäre rauschten.
Themis-Wissenschaftler Dave Sibeck vom Goddard Space Flight Center der NASA würdigt die Leistung seiner Kollegen von der Westküste: "Durch den Abgleich dieser Aufnahmen vom Erdboden mit den Satellitendaten haben wir jetzt endlich ein einigermaßen vollständiges Bild von den Vorgängen, die solche Polarlichter-Teilstürme auslösen." Und diese Kenntnisse sind alles andere als belanglos. Stürme des so genannten Weltraumwetters können irdische Stromnetze zum Ausfall bringen und beeinflussen den Funk- und Luftverkehr. Das Magnetfeld der Erde hält so viel schädliche Teilchenstrahlung von Sonne und den Weiten des Alls ab, dass Astrobiologen davon ausgehen, es könne sich auf keinem Planeten an der Oberfläche Leben entwickeln, wenn er nicht mit einem solchen Schutzschild ausgestattet ist.
Quelle: NASA / UCLA
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