Die Wissenschafts-Ausstellung in mehr als 60 Städten


ScienceNews

| 1 |
MPIbpc / Universität Göttingen
Am Shuttle CRM1 (blau) binden der molekulare Schalter RanGTP (rot) und das Frachtmolekül Snurportin (orange) weit entfernt voneinander (redaktionell bearbeitet).
Copyright: MPIbpc / Universität Göttingen

Shuttle-Service für Moleküle

Lebende Zellen sind auf steten Transport in und aus dem Zellkern angewiesen. Dabei erfüllen "Kernporen" die Funktion hochselektiver Tore: Während kleine Moleküle meist ungehindert passieren, sind große auf einen Shuttleservice angewiesen. Doch wie erkennt ein molekularer Transporter sein Frachtgut? Und wie entscheidet er, wo Fracht geladen oder entladen werden muss? Einen entscheidenden Mechanismus haben jetzt Forscher vom Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie und der Universität Göttingen aufgeklärt.
In vieler Hinsicht gleichen lebende Zellen Miniaturfabriken mit winzigen Produktionsstätten, Förderbändern und Maschinen. Anders als Bakterienzellen zeichnen sich die komplexer gebauten Zellen von Pilzen, Pflanzen und Tieren dabei durch strikte Arbeitsteilung aus. Sie sind in verschiedene Abteilungen - Kompartimente - gegliedert, von Verpackungs- und Sortierstationen, Proteinfabriken und Kraftwerken bis hin zur Kommandozentrale, dem Zellkern. In diesem ist das gesamte Genom (Erbgut) archiviert

Zwischen Zellkern und Zytosol werden mehr als eine Million verschiedener Moleküle transportiert, darunter viele Proteine. Die Folge ist ein immenser Güterverkehr: So entspricht die Stoffmenge, die täglich durch die unzähligen Kernporen eines Menschen geleitet wird, in etwa unserem Körpergewicht.

Die nanoskopisch kleinen Kernporen arbeiten als hochselektive Tore und Sortieranlagen: Während sie die meisten kleinen Moleküle ungehindert passieren lassen, verweigern sie sperrigem Material den Durchtritt. Können sich große Moleküle allerdings durch einen "Passierschein" ausweisen, dann übernehmen Shuttlemoleküle (so genannte Exportine oder Importine) deren Transport. Anders als ihre Fracht haben diese Shuttles das Privileg, die Kernporen nahezu ungehindert zu passieren.

Einer der universellsten Shuttles ist das Exportin CRM1. Aktiviert wird es durch im Zellkern vorhandenenen molekularen Schalter namens RanGTP. Doch wie setzt dieses Molekül die Beladung von Exportinen in Gang? Und wie erkennt und liest ein Exportin den Passagierschein seines Frachtguts?

Einen wichtigen Teil dieses Rätsels konnten Göttinger Forscher jetzt lösen: Ihnen gelang es, CRM1 im Komplex mit dem molekularen Schalter RanGTP und einem Frachtmolekül namens Snurportin zu kristallisieren. Mithilfe der Röntgenstrukturanalyse lässt sich damit der Transportkomplex wie unter einer Art Supermikroskop in atomarem Detail untersuchen.

So ist jetzt klar, dass das RanGTP und die Frachtmoleküle an völlig unterschiedlichen Stellen des Shuttles sitzen. Der Schalter RanGTP löst wichtige Strukturänderungen im Exportin aus. Erst diese  befähigen den Transporter, seine Fracht zu laden. Wie die Forscher herausfanden, erkennt und bindet der Shuttle seine Fracht, das Snuportin, gleich mehrfach - über drei unterschiedliche Stellen seiner großen Oberfläche. "Dass CRM1 Fracht über seine Außenseite bindet, könnte auch der entscheidende Trick sein, der dieses Exportin zum wahren Transport-Allrounder macht. Denn Transporter, die auf wenige Frachtmoleküle spezialisiert sind, wickeln diese in ihrem Inneren ein - und dort findet nicht jedes Molekül Platz", erklärt Thomas Güttler aus der Abteilung Molekulare Strukturbiologie an der Universität Göttingen. Dagegen können an der Oberfläche von CRM1 Moleküle nahezu beliebiger Größe und Form binden.

Das nächste Ziel der Wissenschaftler ist es nun, die Bindung weiterer Frachtmoleküle an CRM1 zu untersuchen. "CRM1 ist ein ganz entscheidender Spieler, wenn wir verstehen wollen, wie komplexe Zellen überhaupt funktionieren. Es ist nicht irgendein Transporter der Zelle, sondern das Arbeitstier des Kern-Exports schlechthin", so Dirk Görlich, Leiter der Abteilung Zelluläre Logistik am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie.

Quelle: Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie

Infos zum Thema