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Auch nahe der Oberfläche einer Flüssigkeit bilden sich Turbulenzen in konvektiven Strömungen (kühlere Bereiche: braun, wärmere: grün/blau)
Copyright: APS / Y. B. Du and P. Tong, J. Fluid Mech., 2000
Wird in einem Zylinder am Deckel gekühlt und am Boden erhitzt, beginnt - genau wie in einer so genannten Lava-Lampe - die Flüssigkeit abzusinken (blau) beziehungsweise aufzusteigen (rot).
Copyright: APS / J.-Q. Zhong, R. Stevens, H. Clercx, R. Verzicco, D. Lohse, & G. Ahlers, Phys. Rev. Lett. 102, 2009.
Die Oberfläche der Sonne ist in viele helle "Körner" mit dunklen Rändern unterteilt, die Granulen. Diese haben Ausdehnungen von bis zu 1000 Kilometer. Die Granulation entsteht durch die Konvektion in einer der der Photosphäre untergelagerten Schichten. Dabei steigt heißes und damit hell leuchtendes Material aus dem Inneren des Sterns an die Oberfläche, dort erkaltet es und sinkt am Rand eines derartigen Stromes als dunkleres Material wieder zurück. Die Temperaturdifferenz beträgt 500 K (links: ein Sonnenfleck).
Copyright: APS / Göran Scharmer, Kai Langhans, Royal Swedish Academy of Sciences
Ein Kessel für Turbulenzen: Denis Funfschilling arbeitet am Aufbau des Geräts, mit dem am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation turbulente Konvektion unter hohen Drücken untersucht wird. Wegen der Form des Druckbehälters, der hier noch nicht zu sehen ist, heißt die Apparatur auch Göttinger U-Boot.
Copyright: MPIDS
Turbulenter Temperaturausgleich
Im Erdmantel, in der Atmosphäre und an der Sonnenoberfläche, aber auch in manchem Kessel der chemischen Industrie, wird Wärme vermutlich nicht so effektiv ausgetauscht wie bislang angenommen: Bei sehr starken Turbulenzen schwächt sich der Prozess ab, wie Physiker des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation, der Universität von Kalifornien in Santa Barbara und des französischen Centre National de la Recherche Scientifique in Nancy festgestellt haben.
Bewegen sich Strömungen von Gasen oder Flüssigkeiten zu schnell aneinander vorbei, bilden sich an Grenze zwischen ihnen Wirbel aus. Dadurch wird aber die Kontaktfläche vergrößert und Temperaturunterschiede können sich schneller ausgleichen. Dies gilt besonders auch für den Fall der Konvektion, wo Blasen höherer Temperatur in einem kühleren Medium nach oben steigen, oder kühlere Bereiche nach unten sinken. Im Innern der Sonne beispielsweise herrscht eine turbulente Konvektion, die rund 100 Milliarden Mal stärker ist als in einem Topf mit heißem Wasser. Die Theorie zum Wärmeaustausch von 1961 sagte voraus, dass sich der Anstieg des Austauschs mit steigender Turbulenz verstärkt. Diese Theorie muss jetzt in Teilen umformuliert werden.
In mancher Hinsicht ähnelt der Apparat, mit dem Eberhard Bodenschatz experimentiert, einem Kochtopf - auch wenn der Direktor am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation ihn wegen seiner Form Göttinger U-Boot nennt und in ihm nicht Wasser, sondern ein Gas brodelt: Ein zwei Meter hoher gasgefüllter Kessel wird in dem hermetisch verschlossenen U-Boot unten geheizt und oben gekühlt. Dazwischen durchmischt sich das Gas in einer turbulenten Konvektion. So wollen die Physiker sich den Verhältnissen im Erdkern, an der Sonnenoberfläche und in industriellen Prozessen annähern, bei denen die Konvektion noch einmal bis zu 100 000 Mal turbulenter verläuft als in einem Kochtopf.
"Wir haben den Wärmetransport bei sehr starker turbulenter Konvektion untersucht und festgestellt, dass er sich anders verhält als wir vermutet hatten", sagt Eberhard Bodenschatz. Je stärker die Turbulenz heißes und kaltes Gas durchmischt, desto effektiver wird Wärme vom heißen Boden des U-Boots zum kalten Deckel transportiert, dieser Wärmetransport beschleunigt sich exponentiell. Die Physiker haben diese Zunahme jetzt gemessen und festgestellt, dass der Exponent entgegen den Erwartungen zweimal kleiner wird. Einmal fällt er von 0,308 auf 0,205, und ein weiteres Mal auf 0,17. In der Theorie zum Wärmetransport durch turbulente Konvektion hatte der amerikanische Physiker Robert Kraichnan vorausgesagt, dass der Exponent von etwa 0,3 auf 0,4 zunimmt und dann konstant bleibt. "Inzwischen haben wir bei noch höheren Turbulenzgraden Daten, die auf eine weitere Änderung des Exponenten deuten", sagt Bodenschatz: "Diesmal womöglich den theoretisch vorhergesagten Wert von 0,4."
"Diese Änderungen des Exponenten haben uns deshalb so verblüfft, weil wir sie bislang nicht auf physikalische Prozesse zurückführen können", so Eberhard Bodenschatz. Nach der Theorie von Kraichnan sollten Strömungen in den Grenzschichten des Kessels ab einer gewissen Stärke der Verwirbelung im Innern turbulent werden. Ab diesem Punkt sollte Wärme effektiver vom heißen Boden zum kalten Deckel des Kessels fließen, und der Wärmetransport sollte sich mit zunehmender Turbulenz gleichmäßig beschleunigen. "Stattdessen nimmt die Effektivität des Wärmeaustauschs an zwei Punkten ab", sagt Bodenschatz: "Dabei müssen sich die Strömungen in den Grenzschichten irgendwie verändern. Wie, wissen wir nicht."
Mit den experimentellen Daten, die er und seine Kollegen in ihren Experimenten produziert haben, müssen sich jetzt Theoretiker beschäftigen, um zu erklären, was bei sehr starker turbulenter Konvektion tatsächlich passiert. Gleichzeitig wird die internationale Gruppe der Sache mit hochauflösenden Messungen der Strömung auch experimentell auf den Grund gehen. Auf diese Weise könnten die Physiker auch neue Erkenntnisse von den Prozessen im Erdinnern oder an der Sonnenoberfläche liefern. Sie könnten aber auch helfen, den Wärmetransport in Industrieanlagen zu optimieren.
Quelle: MPG / Ahlers, G., Funfschilling, D., Bodenschatz, E.: Transitions in heat transport by turbulent convection for Pr = 0.8 and 1011 ≤ Ra ≤ 1015. In New Journal of Physics, 1. Dezember 2009.
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